"Morrone Birkwood", Ölkreiden und Aquarell auf Papier, 46  x61 cm, 2015
"Morrone Birkwood", Ölkreiden und Aquarell auf Papier, 46 x61 cm, 2015

Begleittext und Rede zur Ausstellung "Schattenspiel"

 

BBK/W Atelierhaus Stuttgart 2016

 

Schattenspiel – so lautet der Titel der Ausstellung von Johanna Teske. Schwarz und weiß, hell und Dunkel und eben die Nuancen dazwischen, mit denen die Künstlerin tatsächlich fast spielerisch umzugehen scheint, sind das Charakteristikum dieser Zeichnungen, an deren präziser Ausführung das Auge hängenbleibt und sich gleichzeitig im Detailreichtum der Bildgegenstände verliert.

 

 

 

 

I"le de Brehat", Aquarell auf Pepier, A4, 2015
I"le de Brehat", Aquarell auf Pepier, A4, 2015

Es sind Landschafts-, Natur- und Tierdarstellungen, die Johanna Teske in ihren meist filigran-naturalistisch gearbeiteten Zeichnungen präsentiert. Über eine reine Abbildhaftigkeit geht sie dabei weit hinaus. So sind ihre Landschaften zum einen Erinnerungsbilder selbst unternommener Reisen, Wanderungen oder Spaziergänge, die teils aus der Erinnerung, teils aus der Anschauung vor Ort gemachter Skizzen oder Fotografien entstanden sind. Das satte Grün „Morrone Birkwoods“ oder die Spaziergänger in der Arbeit „Ile de Brehat“ sind also weder allein Bild gewordene Imagination, noch reine Abbildungen von Gesehenem. Darüberhinaus beinhalten viele der Arbeiten zusätzliche Ebenen, die sich den Betrachter_innen erst auf den zweiten oder dritten Blick offenbaren. Es mag zunächst ein Gefühl sein, das uns etwas hinter der Landschaft als reine Landschaftsansicht vermuten lässt. Dann erst sehen wir im Winterwald den eingefrorenen, von einer Krähe beobachteten Toten, dessen in Eiszapfen eingeschlossenen Hände sich kaum abheben von den gefrorenen Ästen.

 

 

 

"Supmflandschaft", Ölkreide, Stifte und Aquarell auf Papier, 20 x 60 cm, 2012
"Supmflandschaft", Ölkreide, Stifte und Aquarell auf Papier, 20 x 60 cm, 2012

Oder in der "Sumpflandschaft" das einsame Pferd, das klein und schemenhaft in der Weite der Ebene weidet.

"Winterwald",  Aquarell und Tusche, 61 x 46 cm, 2012
"Winterwald", Aquarell und Tusche, 61 x 46 cm, 2012

 

So wird ein romantisch anmutender "Winterwald" zum Ort des Grauens, wenn das Auge auf den Vereisten trifft, der in die Äste der am Wegesrand stehenden Bäume und Sträucher wie eingewachsen scheint.

 

"Kelpies Kniepsand" links, Aquarell und Stifte, 50 x 90 cm, 2010
"Kelpies Kniepsand" links, Aquarell und Stifte, 50 x 90 cm, 2010
"Kelpies Kniepsand" rechts, Aquarell und Stifte, 50 x 90 cm, 2010
"Kelpies Kniepsand" rechts, Aquarell und Stifte, 50 x 90 cm, 2010

"Birken im Moor", Aquarell und Ölkreide, 61 x 46cm, 2015
"Birken im Moor", Aquarell und Ölkreide, 61 x 46cm, 2015

 

Die Erinnerung an einen Urlaub an der See wird zu einer Darstellung mit verstecktem Inhalt, denn dass es sich bei dem Pferd um einen sogenannten Kelpie handelt, einen der keltischen Mythologie entsprungener Wassergeist, der in Gestalt eines Pferdes Menschen anbietet, sie sicher über das Wasser zu tragen, die Gutgläubigen dann aber auf den Grund zieht und verspeist, ist dem Titel zunächst nicht zu entnehmen.

 

Konkreter und doch zunächst kaum wahrnehmbar ist dies bei der Arbeit „Birken im Moor.“ Die Bäume gelangen in den betrachterischen Fokus allein schon durch den Titel. Beim Studieren des Moors bleibt das Auge hängen an den zeichnerischen Spielereien, die Wasserspiegelungen und auf dem Wasser treibende Blätter hervorbringen. Da werden die roten Blätter zu Augen, die Spiegelungen lassen einen schemenhaften Pferdekopf erkennen. In die idyllische Ruhe einer unberührten Natur schleicht sich so das Unheimliche.

 

"Springender Kelpie", 24 x 31 cm, Aquarell und Stifte,  2010
"Springender Kelpie", 24 x 31 cm, Aquarell und Stifte, 2010

 

Offensichtlich zum Ungeheuer wird das weiße Pferd schließlich bei seinem Sprung ins offene Meer.

 

"Heidefels", Aquarell und Stifte, 64 x 46 cm, 2012
"Heidefels", Aquarell und Stifte, 64 x 46 cm, 2012

 

Der sommerlich daherkommenden Arbeit „Heidefels“ liegt die Begegnung der Künstlerin mit einer sich sonnenden Eidechse während einer Wanderung zugrunde. Durch ihre Nahsicht und ihre Position hier, stolz thronend auf einem Felsvorsprung, wirkt sie fast wie eine Urzeitechse oder gar ein Drachen. Phantasievoll schillernd, mit gezacktem Schattenwurf bleibt ihr Blick mehrdeutig: Schaut sie mit Weitsinn in die Ferne, oder wirft sie den Blick auf die Betrachter*in zurück? Ist dieser Blick eine Geste des Wohlwollens oder der lauernden Warnung?

 

Auch "Der Ungeheuersee" ist keine Erfindung der Künstlerin. In der Pfalz gibt es tatsächlich einen See mit diesem Namen, dessen Umgebung Johanna Teske bewandert hat. Die Arbeit „Zum Ungeheuersee“ zeigt einen Trampelpfad durch den Wald, ausgestattet mit einem Hinweisschild zu besagtem Gewässer. Zwischen den Bäumen erhascht unser Blick neben den beeindruckenden Hauern eines Wildschweines und auf dem Boden herum pickenden Krähen auch ein weißes Pferd. Auf den ersten Blick wird der Wald zum Märchenwald. Ist das Pferd gar ein Einhorn? Dann lassen uns die rot gefärbten Nüstern und Augen des Tieres erschauern. Ungeheurliche ist zu entdecken, wo Sanftes erwartet wird. Die Wildschweine und Krähen werden zu Waldbewohnern, denen man gerne begegnen würde.

 

 

 

"Krähenbaum", Kreide und Reisskohle auf Papier, 120 x 110, 2011
"Krähenbaum", Kreide und Reisskohle auf Papier, 120 x 110, 2011

 

Der "Krähenbaum" schwankt ebenso zwischen abbildhafter Tiermalerei und der Präsentation einer unheimlich anmutenden, märchenhaften Szenerie. In den Ästen eines wohl mächtigen Baumes tummeln sich etwas über ein dutzend Krähen. Teils sind sie von den Ästen aufgeflogen und interagieren miteinander, teils scheinen sie im Abheben oder Landen begriffen zu sein, einige sind deutlich im Vordergrund zu sehen, weitere tummeln sich weiter hinten. So zeigt sich ein durch die Körperhaltungen, Blickrichtungen und die Flügelstellungen der Vögel ein bewegtes Bild. Eine kreisförmige Komposition entsteht. An dieser Stelle sei auf die ebenfalls ausgestellten Krähenstudien der Künstlerin verwiesen, welche für das Entstehen des Krähenbaums herangezogen wurden. Viele einzelne Zeichnungen, von denen manche mehr, andere weniger skizzenhaft daherkommen und durchaus eigenständige Portraits einer Krähe abgeben, sind hier zu einem großen Ganzen zusammengefügt. Inhaltlich lässt die Arbeit „Krähenbaum“ Raum für Assoziationen. Die rabenschwarzen Vögel in winterlicher Umgebung unterstützen auch die Bildaussage betreffend den – vermeintlichen – Dualismus von Licht und Schatten, Grauen und Idyll. Durch das Getummel der Vögel und die Komposition, die ein Zusammenhalten der Tiere evoziert, wird der Baum buchstäblich zum Krähenbaum. Kulturhistorisch stehen Rabenvögel durchaus in einer Tradition des Unheimlichen – Verwiesen sei hier zum Beispiel an das Gedicht „Der Rabe“ von Edgar Allan Poe oder der Schulhofszene in Alfred Hitchcocks Thriller „Die Vögel“. Dennoch schwingt hier auch eine fast humorvolle Stimmung mit. Die Vögel scheinen in reger Kommunikationsstimmung zu sein, der Krähenbaum kann uns also ebenso an eine aufgeweckte Diskussion als auch an eine unheimliche Begebenheit denken lassen.

 

 

 

 

Dieses Zusammenspiel von Grauen und Idyll, das durch die Hell-Dunkel Abstufungen getragen wird, zieht sich durch viele der Werke. Ob die Fantastereien eine bedrohliche oder eher doch eine geheimnisvolle Atmosphäre bleibt dabei -bis auf wenige Bilder- dem Assoziieren der Betrachter*innen überlassen. Eindeutige Zuschreibungen werden hier aufgelöst. Helles, weißes bleibt nicht Idylle, das Kelpie spricht für sich. Krähenvögel, kutlurhistorisch mit Vorstellungen von Unheil assoziiert, sind hier und auch ganz objektiv betrachtet einfach Tiere, sehr kluge noch hinzu, deren Schwarzes Federkleid eine Laune der Natur ist. So steckt in der Idylle das Grauen und dort, wo wir Unheimliches erwarten, findet sich zunächst nur eine Komposition aus vielen flatternden Krähen. Es ist an uns als Betrachter_innen, weitere Interpretationen vorzunehmen.

 

"Kleiner See", Tusche, 40 x 30 cm, 2012
"Kleiner See", Tusche, 40 x 30 cm, 2012

 

Johanna Teskes Arbeitsmaterialien sind vor allem Tusche und Aquarell, Blei- und Buntstifte sowie Pastell- und Ölkreiden und dies meist in Kombination. Im "Flusslauftriptychon" oder auch bei der Arbeit "Kleiner See" ist die präzise, der Gattung Zeichnung Rechnung tragende Anwendung dieser Materialien besonders eindrucksvoll zu studieren. Hier fühlen wir uns an japanische Tuschemalereien erinnert. Die satt farbigen Arbeiten, die etwas expressiver im Duktus sind, sind als Skizzen für geplante Gemälde vorstellbar, doch ins Gesamtwerk der Künstlerin eingebettet, wird klar, sie sind das Werk, allein die Präzision der Pinsel- , Kreide- oder Buntstiftstriche sowie die sorgsam gewählte, der Stimmung der Landschaft entsprechende Farbigkeit, beweisen dies.

 

1. "Flusslauf" Triptychon, Tusche und Aquarell, 3 x 46 x 61 cm, 2015
1. "Flusslauf" Triptychon, Tusche und Aquarell, 3 x 46 x 61 cm, 2015

 

Johanna Teskes Werk ist vielseitig und so auch diese Ausstellung. Als roter Faden kann inhaltlich und formal das Zusammenwirken von Hell und und Dunkel angesehen werden, doch immer ist dieses Spiel ein dialektisches. Sie sind nun dazu eingeladen, sich selbst ein Bild zu machen und sich neben der Anschauung auch eigenen Ideen und Phantastereien nachzugehen, ihren Assoziationen nachzuspüren und zwischen Grauen und Idyll, Hell und Dunkel ein eindrucksvolles „Spiel der Schatten“ zu entdecken.

 

Bettina Göpferich, Kunsthistorikerin M.A.